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17Nov/11Off

Wozu experimentieren, wozu die Reduktion der Wirklichkeit?

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Verhalten erwärmter Luft

Ein Luftballon ist auf eine Flasche gestülpt. Die Flasche wird erwärmt, der Luftbal-lon bläht sich auf. Warum?
Die Standarderklärung in vielen Büchern lautet: Die erwärmte Luft steigt nach oben und bläht den Luftballon auf. Diese Erklärung führt bei den Kindern zu der Vorstellung, dass die Luft in der Flasche durch das Erwärmen in den Luftballon übergegangen ist. Kühlt sich die Luft wieder ab, zieht sie sich zusammen, sackt nach unten und entweicht wieder aus dem Luftballon. Hinweis: Diese Erklärung ist ebenfalls irreführend. Beim Kühlen nimmt die Dichte der Luft zu, wodurch kurzzeitig ein Unterdruck in der Flasche entsteht. Dieser wird durch die Außenluft ausgeglichen, wobei der Luftballon in die Flasche hineingedrückt wird.
Eine häufige Interpretation der Kinder lautet : Die warme Luft steigt nach oben und bläht den Ballon auf, weil (!) sie mehr Platz braucht als kalte. Auch diese „Erklärung“ hat Klärungsbedarf.
Beim Abkühlungsprozess sagen Kinder: Die kalte Luft zieht den Luftballon nach in-nen. Oder: Die kalte Luft hat sich ganz langsam durch die Kälte nach innen gezogen. Manche Kinder sagen auch: Die warme Luft steigt auch manchmal nach unten! Oder sie sagen: Oben ist es manchmal auch kälter. Wahrscheinlich steckt dahinter eine Erfahrung in den Bergen, wo es nach oben hin immer kühler wird. Dann muss ja die warme Luft nach unten gestiegen sein. Hier also widerspricht die Erfahrung dem Ergebnis des Experiments.
Legt man Kindern Bilder vor, z. B. von einer Flasche mit schlappem Luftballon, oder von einem runden Gefäß mit 4 Öffnungen (oben, unten und zwei seitliche), auf die schlappe Luftballons gestülpt sind, und fragt sie, was beim Erwärmen mit den Luftballons geschehen wird, lassen sich die Vorstellungen der Kinder sehr gut erkennen! Die meisten Kinder sagen eine Aufblähung nur des oben aufgestülpten Luftballons voraus.

Anmerkung:
Physikalisch gesprochen geht es um die Trennung von zwei oder sogar drei Phänomenen:

  1. Bei Erwärmung braucht Luft mehr Platz, ihr Druck wächst;
  2. erwärmte Luft steigt nach oben, wenn sie nicht eingesperrt ist;
  3. die Temperatur der Atmosphäre nimmt im Normalfall von der Erdoberfläche nach oben hin ab.

In geschlossenen Gefäßen kann man bei Erwärmung des Gefäßes und der eingeschlossenen Luft das unter 2. angeführte Phänomen nicht beobachten und vernachlässigen.

Fazit

Kinder aktivieren zu den Worten der Erwachsenen - wie „Warme Luft steigt nach oben“ - Bilder und Erfahrungen. Diese stehen oft im Widerspruch zu der von den Erwachsenen bereits gedeuteten Wirklichkeit. Experimente helfen hier oft nicht: Sie manipulieren die Wirklichkeit (Wagenschein) und stellen eine Reduktion der Wirklichkeit dar, indem sie nur einen Aspekt der Wirklichkeit herausgreifen und diesen ins Zentrum stellen. Der Einzelaspekt erfasst die Wirklichkeit nicht in ihrer Fülle, er ist nicht alles.
Manifeste Vorstellungen können sich nur dann verändern, wenn wir den Kindern ermöglichen, ihre Vorstellungen selbst zu korrigieren und die „richtige“ Vorstellung nicht vorschnell erklären.
Es deutet sich eine grundsätzliche Frage an: Warum machen wir überhaupt Experimente mit den Kindern? Und speziell solche mit dem Luftballon auf der Flasche? Worauf wollen wir eigentlich hinaus? Wir müssen überlegen, warum wir etwas mit Kindern machen und müssen das erklären!

 

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