Salman Ansari Menschen · Natur · Leben · Literatur · Musik

13Mrz/09Off

Kinder machen Bekanntschaft mit der Luft

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Im Kindergarten:

Wie erwartet wussten die Kinder viel über die „Luft“ zu sagen. Es wurde wieder deutlich, wie bereichernd es ist zu erfahren, was Kinder bereits wissen. Alle Kinder waren sofort der Meinung, dass ein Bär mit einem Luftballon nicht  hochfliegen könne. Er sei ja schwerer als die Luft. Diese Bemerkung, der Bär sei schwerer als die Luft bedeutet für mich, dass die Kinder implizit wissen, dass die Luft eine Masse besitzt. Auch meinten alle Kinder, dass ein Luftballon mit einem Loch sofort die Luft verliert und nicht segelnd hinabgleiten kann. Es gab kein Kind, das Luft als ein „nichts“ bezeichnete. Alle Kinder wussten, dass ein leeres Glas Luft enthält. Nachdem wir die Öffnung eines luftgefüllten Ballon unter Wasser öffneten und die Bläschen blubbernd hinaufsteigen beobachten konnten, schlugen die Kinder selbständig vor, dass man dies auch mit einer leeren Flasche machen könne, denn darin sei ja auch Luft. Sie nahmen daraufhin herumstehende leere Plastikflaschen und tauchten sie langsam ins Wasser ein. Als ich fragte, wie man es verhindern könne, dass Heliumballons nicht die Decke berührten, kam sofort der Vorschlag, ihn mit einem Gewicht zu beschweren. Bis auf die ganz jungen Kinder gelang es allen Kindern, die Ballons so zu beschweren, dass sie im Raum schwebend blieben. Die Kinder konnten auch festhalten, dass je größer der Luftballon ist, um so mehr muss man ihn beschweren, damit er nicht bis zur Decke hinauffliegt. Alle vierjährigen Kinder fanden sehr schnell heraus, dass die Luftpumpe unten Löcher besitzt. Hält man diese zu, dann kann sie keine Luft saugen und es wird schwerer, den Kolben hochzuziehen. Dies wurde von allen Kindern ausprobiert. Die Luftpumpe würde die Luft aus dem Zimmer holen, meinten die Kinder. Den Gymnastikball kannten alle Kinder bereits. Alle hoben ihn hoch, um zu sehen, ob er leicht oder schwer sei. Danach wurde die Luft rausgelassen. Den Gymnastikball haben die Kinder dann noch einmal hochgehoben und festgestellt, dass er viel leichter geworden ist. Einige Kinder meinten, die Luft ist eben auch schwer. Einen Luftballon haben wir mit einer Nadel gestochen und auf die Frage, ob man das Loch finden könne, haben mehrere Kinder sofort vorgeschlagen, ihn ins Wasser zu tauchen. Diesen Versuch wollten nun alle Kinder durchführen und das Loch finden. Daher wurden mit der Nadel so viele Luftballons eingestochen, bis alle Kinder ein Ballon mit Loch hatten. Alle Kinder konnte die undichte Stelle lokalisieren und vielen hat es Spaß gemacht, das Loch unterhalb von Wasser mit dem Finger zu bedeckten, sodass Luftbläschen nicht mehr hinaus konnten.

Natürlich, wie immer, verlief der tatsächliche Ablauf der Aktivitäten nicht so planmäßig, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Auch sind mir einige technische Unzulänglichkeiten aufgefallen. Zum Beispiel:

  • Kleine Kinder tun sich schwer, einen Luftballon mit dem Mund aufzublassen. Daher lohnt es sich, die Luftballons vorher aufzublassen, sie zu entleeren und dann diese den Kindern zur Verfügung zu stellen. Vielleicht sollte man mehrmals die Luftballons aufblassen, dadurch wird das Gummi lockerer.
  • Sehr junge Kinder haben anfänglich Schwierigkeiten, mit der Luftpumpe fertig zu werden. Diese Kinder brauchen also Zeit und man soll sie aufmuntern, nicht aufzugeben. Hierbei müssen sie Bewegungsabläufe koordinieren lernen. Nötigenfalls sollte ein Kind, das mit der Luftpumpe umgehen kann, Hilfen geben.
  • Man muss sich vorher davon überzeugen, dass die „Lochbohrung“ mit der Nadel funktioniert hat.
  • Man muss möglich große Luftballons mit Helium füllen, damit sie einen Korb mit leichten Gegenständen hochtragen können.

Alle Kinder wissen, dass es windstille Tage gibt. Die Kategorie „Windstill“ ist ihnen also vertraut. Man muss mit ihnen besprechen, was an windstillen Tagen besonders auffällig ist. Kinder wissen auch über die enorme Kraft des Windes zu berichten. „Im Wald fallen Bäume um. Die Dachziegeln werden vom Winde weggefegt. Orkan kann sogar große Städte wegfegen“. Alle Kinder beschreiben, wie man die Luft fühlen, hören und sogar sehen kann („wenn Luft über stilles Wasser geht, wenn Luft etwas bewegt, dann sieht man sie“). Sie erinnern sich an Windmühlen und Windrädern. Um den Luftwiderstand zu spüren, bekamen die Kinder Platten aus Karton. Diese vor sich haltend rannten sie los und so stellten sie noch einmal fest, dass Luft da ist und nicht ein „Nichts“ ist.

Implizit wissen Kinder, dass die Luft sich bewegt, eine enorme Kraft entwickeln kann und auch Gewicht hat. Luft macht Geräusche und Töne. Als ich sie frage, wie ein Segelschiff sich fortbewegt, wissen alle Kinder, dass der Wind die Segel aufbläht und das Schiff bewegt. Wir unterhalten uns über Drachen und Drachenflieger. Einige Kinder nennen auch Segelflugzeuge. Meine Frage, ob Segelflugzeuge auch Seegel brauchen, finden alle Kinder zum Lachen. Allerdings können sie nicht erklären, wie ein Segelflugzeug ohne Motoren das Fliegen bewältigt.

Ohne Pause haben die Kinder 90 Minuten lang gearbeitet. Sie wollten noch weiter machen. Doch ich musste eine Pause einlegen, weil all dies für mich anstrengend und sehr aufregend war.

Man muss den Kindern für die Bewusstwerdung ihres impliziten Wissens Zeit geben.

* Salman Ansari. Schule zum Staunen. Forschen und entdecken mit Kindern.

Wissenschaft Akademischer Verlag ( Springer Verlag), Heidelberg.

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