Was heißt Frühförderung und naturwissenschaftliche Bildung im Kindergarten?
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Dr. Salman Ansari plädiert gegen die Akademisierung der Kindheit und gegen "Wissen aus zweiter Hand". Der Autor beschreibt, wie Kinder die Welt entdecken und wie ErzieherInnen ihnen dabei helfen können. Wir übernehmen den Artikel mit freundlicher Genehmigung der Redaktion aus Heft 5/10 von Betrifft Kinder. Wichtig: Ergänzend zu diesem Artikel haben wir Beitrag von Gerald Hüther und Elsbeth Stern eingestellt.
Veröffentlicht auf dem Portal: ErzieherIn.de
Die Akademisierung der Kindheit
Seit einigen Jahren arbeite ich mit Kindergartenkindern zusammen, und je länger ich das mache, desto fragwürdiger und erläuterungsbedürftiger erscheinen mir zwei Begriffe, die seit PISA zunehmend mit den Erziehungsprozessen in Kindergärten assoziiert werden. Sie lauten: Frühförderung und naturwissenschaftlich-technische Bildung in Kitas.
In einem Vortrag (1) konstatiert der Entwicklungspsychologe Wassilios Fthenakis, einer der bekanntesten Befürworter der Frühförderung, dass die Kinder in den Kindergärten chronisch unterfordert und falsch angesprochen seien. Da ich nicht wusste, was man unter chronischer Unterforderung verstehen könne, und Herr Fthenakis auch nicht begründete, an welchen Merkmalen man erkennt, dass Kindergartenkinder falsch angesprochen seien, suchte ich in den letzten Jahren nach einer empirischen Erhebung, die diese Feststellung erläutern und unterstützen könnte. Allerdings vergeblich.
Betrachtet man die Inhalte der Programme, die Publikationen vieler Institutionen und die Modellversuche zur Frühförderung, dann muss man feststellen, dass letztlich alle auf die Akademisierung der Kindheit zielen, denn aus dem Wesen und der Struktur der diversen Aufgabenstellungen geht weder die pädagogische Zielsetzung noch die Möglichkeit zu eigenen Erfahrungen und Entdeckungen eindeutig hervor. Wenn also Lerngegenstände, die bisher für die Grundschule und Mittelstufe als geeignet erachtet wurden, ebenso gut für die Drei- bis Sechsjährigen sind, dann fördern sie meiner Ansicht nach nicht die Entwicklung von altersgemäßer „Bewusstheit der Denkvorgänge“ (2) und somit auch nicht die Neigung des Kindes zu aktivem Erforschen und Erkunden.(3)
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