Salman Ansari Menschen · Natur · Leben · Literatur · Musik

13Mrz/10Off

Seifenblasen platzen immer

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Wie Akademiker den Kindern die Zeit stehlen

I. Wissen kann nicht übertragen werden.

Erkenntnisse der kognitiven Wissenschaften, der Entwicklungspsychologie, der und gehen davon aus, dass die Aneignung von nachhaltigem Wissen und der Erwerb von übertragbaren Kompetenzen durch eine Selbstorganisation von Lernprozessen erreicht werden. Wissen kann demnach nicht übertragen werden. Jedes Individuum muss das Wissen selber konstruieren. Kinder sind Wissende, die bereits beim Eintritt in den Kindergärten über individuelle Vorstellungen und Lernstrategien verfügen. Daher sollten sie die Möglichkeit erhalten, das Verstehen von neuen Zusammenhängen und die Veränderung des ursprünglichen Wirklichkeitsbildes selbständig zu erreichen.

II. Wozu der Hokuspokus in den Kindergärten?

In Heidelberg sind die Akademiker zum Wohle der Zukunft von Deutschland wieder aktiv:
http://www.focus.de/schule/dossiers/fruehfoerderung/kreativ/tid-5621/experimente_aid_54972.html
Soll man hier von eklatantem Dilettantismus sprechen. Soll man annehmen, dass aktive Naturwissenschafter noch niemals mit den Erkenntnissen der kognitiven Wissenschaften und der in Berührung gekommen sind?
Eine Professorin (Manuela Welzel), finanziell unterstützt von einer Stiftung (SAP), lässt die Kinder folgende Fragen experimentell untersuchen. „Können Seifenblasen auch sternförmig sein? Brauchen Astronauten einen Raumanzug? Warum schwimmen Eisschollen auf dem Wasser? Wieso fliegt ein Ballon?“ Zur Erforschung dieser Fragen steht das Experiment im Mittelpunkt. Die Forscherin behauptet, dass dann die Kinder so einfach spielerisch kausaler Zusammenhänge erkennen und auch darüber sprechen lernen werden. Dabei handelt es sich um Phänomene, für deren Beantwortung die Menschheit im Kontext von Ursache und Wirkung Hunderte von Jahren gebraucht hat.
Können Studenten der Fachrichtung Physik, Chemie, Biologie diese Fragen wie selbstverständlich beantworten? Mit Sicherheit nicht.

Die Protagonisten solcher Umtriebe und deren Geldgeber sollten einmal selber versuchen, diese Fragen zu beantworten, ohne wissenschaftliche Begriffe und Kategorien zu verwenden. Denn es geht hierbei um das Sichtbarmachen der Zusammenhänge für die Kinder. Mal sehen, was dabei herauskommt.
Angenommen wir haben in Deutschland einfach geniale Kinder, die all dies mithilfe solcher Experimente erfassen und nun wissen, ob Seifenblasen auch sternförmig sein können. Dann bleibt doch die Frage, was können diese Kinder mit diesem Wissen anfangen, um neue Zusammenhänge zu entdecken; also ihr erworbenes Wissen nutzen können, um neue Erfahrungen zu manchen. Besteht das Lernen aus desperaten Aktivitäten? Ist das Lernen nicht vielmehr in einen Entwicklungsprozess integriert?
In der Geschichte der naturwissenschaftlichen Forschung war nicht das Experiment, sondern die Faszination über Naturphänomene die Voraussetzung für eine Fragestellung an die Natur. Es wird übersehen, dass erst im Vollzug des Forschens die Idee der Überprüfbarkeit einer Hypothese durch ein Experiment überhaupt in Betracht gezogen wurde. Selbst dann haben die Forscher die Ergebnisse ihres Experiments oft nicht richtig interpretieren können. Denn jede Interpretation ist naturgemäß von dem jeweiligen Wissensstand des Forschers abhängig. Dies gilt auch für Kinder. Darüber hinaus sind Experimente prinzipiell Reduktionen und Manipulation der Wirklichkeit. Denn jedes Experiment setzt Technik, Methode und Kontrolle voraus. Kinder nehmen jedoch die Welt ganzheitlich wahr und können daher die Natur nicht als eine Zusammensetzung von zusammenhanglosen Physikalischen, Chemischen und Biologischen „Wundern“ verstehen oder wahrnehmen. Es fragt sich daher mit welchen Bildern, Begriffen, Kategorien usw. könnte man den Kindern entdecken lassen, ob Seifenblasen auch sternförmig sein können, Astronauten einen Raumanzug brauchen, warum Eisschollen auf dem Wasser schwimmen? Selbst, wenn die Professoren doch irgendwie den Kindern all dies erklären könnten, muss man sich als verantwortlicher Forscher bzw. Forscherin doch fragen, was ein Kindergartenkind mit Erklärungen, die zwangsläufig auf Kategorien wie Dichte, Aggregatzustände der Materie, die Anomalie des Wassers (Eisschollen), Oberflächenspannung, Auftrieb, Stabilität und Struktur (Seifenblasen) usw. hinauslaufen, überhaupt selbständig erkennen kann. Denn Erkenntnis bedeutet sogleich der Vorgang der Urteilsbildung und der Wahrheitsfindung auf der Grundlage von sinnlich und geistig erfahrnen, beobachteten und nachvollziehbar erlebten Zusammenhängen. Vielleicht hat die Professorin in Heidelberg andere einzigartige Wege der Erkenntnisgewinnung, die all diese komplizierenten Zusammenhänge dem Kind „spielerisch“ sichtbar machen. Das wäre wirklich ein ungeheurer Fortschritt in der Didaktik.

Ist der Vorgang des Lernens wirklich so einfach? Stiehlt man damit nicht den Kindern die Zeit, die sie brauchen, um im Spiel die Bewusstwerdung der Außenwelt und des eigenen Ichs zu erreichen? Wenn ein Kind das Stehen gelernt hat, dann will es auch das Laufen lernen. Oder will es sich damit begnügen, dass es reicht, zu krabbeln?
Jedem Lernen wohnt ein Gestalten und eine Entwicklung inne. Gehört das Verstehen von naturwissenschaftlichen Zusammenhängen einer anderen, einzigartigen Lernkategorie an?
Wie könnte es einem Kind die Erkenntnis, ob Seifenblasen auch sternförmig sein können in seiner    Entwicklung    weiterhelfen?    Stellen    solche    Fragestellungen    nicht    ein verantwortungsloses Unterfangen dar und verhindern somit, dass Kinder die Möglichkeit erhalten selbständig die Welt zu entdecken?
Dass Kinder gerne experimentieren, besagt zunächst nur, dass sie alles begeistert mitzumachen. Auch jeden Unsinn. Gerne etwas tun oder begeistert von etwas zu sein, ist allein jedoch im Kontext des Erwerbs von übertragbaren Kompetenzen ein untaugliches Kriterium. Bestenfalls werden diese Umtriebe (Seifenblasen) der Professoren und die um Deutschland besorgten Geldgeber dazu beitragen, dass die kindliche Aneignung der Welt verfälscht, das Sehen und Verstehen verdunkelt wird, bevor es überhaupt begonnen hat.

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