Naturerfahrung ist nicht Naturwissenschaft
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Nach einer Woche
Nach einer Woche war ich wieder zusammen mit denselben Kindern. Eine Schülerin erzählte, dass sie über die Luft nachgedacht hätte. Sie sagte, sie hätte bisher geglaubt, dass in einem Zimmer die Luft still stünde, doch das könne gar nicht sein. Denn dann würde man ja ersticken. „Warum sagst du das?“ fragte ich. Die Antwort war: „Sonst würde sie ja nicht in unsere Nase gehen können.“ Diese Überlegung lässt erahnen, dass sie eine eigenständige Hypothese aufzustellen vermochte. Gemessen an Programmen wie „Natur-Wissen schaffen“ (unter der Federführung von Herrn Wassilios Fthenakis), „Haus der kleinen Forscher“ usw. ist das sicher keine adäquate Vorgehensweise, mit Kindern über Naturphänomen zu sprechen. Denn ein Experiment ist ja dem Dialog nicht vorausgegangen. Denn dort wird immer mit einem Experiment angefangen, weil das Laborexperiment als ein bedeutendes pädagogisches Instrument angesehen wird. Auf der Homepage der Stiftung lesen wir:
„Zum Experimentieren gehören der Spaß am Ausprobieren und das Entdecken interessanter Phänomene. Ein Experiment ist immer eine "Frage an die Natur". Dabei geht es nicht um "richtig" oder "falsch", sondern um die eigenen Beobachtungen der Kinder. Der Ausgang eines Experiments kann überraschend sein, das Ergebnis ist aber niemals falsch, sondern erweckt neue Fragen. Spaß entsteht durch Erfolgserlebnisse, die dazu motivieren, sich mit neuen Themen weiter zu befassen.“
Man stolpert über jeden Satz. Erstaunlich, wie viele gedankliche Widersprüche und welche Apodiktik in wenigen Sätzen Raum gefunden haben! Einerseits gibt es kein "richtig" oder "falsch", andererseits ist „das Ergebnis …aber niemals falsch.“ Wie geht das zusammen, fragt man sich. Es wird einfach festgestellt. „Ein Experiment ist immer eine "Frage an die Natur" Kann das phänomenologisch überhaupt sein? Denn alle angebotenen Experimente zielen von vornherein auf ein festgelegtes Ergebnis. Wo ist hier Raum für Dialektik und „Beschreibung der gegebenen Erscheinungen als erste Stufe des systematischen Denkens.“ (Husserl)
Was wir von der Leistungsfähigkeit eines Experiments überhaupt erwarten können, ist beispielsweise in Wikipedia, unter Bezugnahme auf Immanuel Kants Postulate, so formuliert:
„Durch die experimentelle Methode werden lediglich diejenigen neuen Erkenntnisse gewonnen, nach denen in den zuvor durch das experimentelle Design gestellten Hypothesen gefragt worden ist. Im Zusammenspiel mit einem Modell sind Experimente die Grundlage einer Theorie.“ Bei welchem Experiment der Stiftung ist dies möglich?
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